Montag, 14. Juli 2008

CABARET- Besuch am Samstag


Man kann sich in einer Bar um den Verstand saufen. Wenn man dort aber einen gelungenen Cocktail aus Zeitgeist und Weingeist serviert, dann wird der Besucher gleichermaßen geschüttelt und gerührt. In der hannoverschen Staatsoper steht jetzt „Cabaret“ auf dem Sommerspielplan. Und dieses Musical geht nicht nur in den Kopf und ans Herz, sondern auch in Beine. Die Berliner Bar jeder Vernunft, die zwar nebenbei auch ein Gastronomiebetrieb, vor allem aber ein – nicht subventioniertes! – Theater ist, gastiert mit ihrer erfolgreichen Produktion in Hannover. 120.000 Zuschauer haben diesen Hit bereits gesehen, in Hannover sollten noch ein paar Tausend mehr dazukommen. Bei der ausverkauften Premiere am Sonnabend gab es jedenfalls begeisterten Beifall.

Vincent Patersons Berliner „Cabaret“-Inszenierung zeigt beispielhaft, wie man mit überschaubaren Mitteln große Kleinkunst macht. Momme Röhrbeins Bühnenbild ist angewandter Minimalismus: ein angedeutetes Zugabteil, die mit verschiebbaren Wänden markierte Pension von Fräulein Schneider und der Obstladen von Herrn Schultz. Und ein bisschen Glitter und Glanz für den Kit Kat Klub, in dem die einen Mäuse machen und die anderen das Mausen nicht sein lassen können.

Diese Produktion hält sich von übersteigerter Broadway-Ambition ebenso fern wie von Volksaufklärung, zu der deutsche Inszenierungen des Stücks in der Vergangenheit gern neigten. Die Bedrohung durch die Nazis bleibt fast Behauptung, die Hakenkreuze tauchen nur am Rande und als Armbinde auf. Aber das passt zu John Kanders Musik, die den Völkischen mit dem Song „Der morgige Tag ist mein“ eine als Volkslied verkleidete Drohung in den Mund legt.

Sophie Berner (FOTO, ganz unten) als Sally Bowles ist umwerfend! Sie hat eine Bühnenpräsenz, die auch ein Opernhaus füllt, sie singt, tanzt und spielt fabelhaft und muss sich neben prominenteren Vorbildern, die diese Rolle in Deutschland verkörperten, nicht verstecken!

Dieses Stück handelt von zwei Liebesgeschichten, die an den Zeitläuften scheitern – und daran, dass die Frauen nicht die Kraft oder die nötige Einsicht haben, für ihre Liebe zu kämpfen.

Und auch wenn alle immer zuerst an die Tinteltangeltänzerin Sally Bowles denken, die faszinierendere, vielschichtigere Rolle ist die der Zimmerwirtin Fräulein Schneider, die auf ihre späten Jahre noch eine herbstzeitlose Liebe erfährt, sich dann doch nicht traut, weil ihr Verehrer, der Obsthändler Schultz, Jude ist, sie aber für ihr Gewerbe einen Gewerbeschein benötigt und sich deshalb mit kommenden Herrschern nicht anlegen will.
Hier ist Eva-Maria Hagen zu bewundern. In jedem Wortsinne, denn es geht nicht um Tonhöhen, sondern um Zwischentöne. Peter Kock gibt ihren Verehrer mit stiller Noblesse.

Eric Rentmeister als Conférencier ist glamourös. Das ganze Personal des Kit Kat Klubs zeigt, wie wunderbar das Ensemble der Bar jeder Vernunft hoch professionell Halbprofis darstellen kann. Schließlich beweist ja auch die Kit Kat Band unter der Leitung von Adam Benzwi, dass man auch in kleiner Besetzung große Show machen kann.

Das ist sehenswert, hörenswert und empfehlenswert.

(HAZ)

Fräulein Schneider (Eva-Maria Hagen) und
ihr Verehrer Schultz (Peter Kock)
Sophie Berner

...und für alle die mehr wissen wollen:
http://www.eva-maria-hagen.de/
(Eva-Marias Homepage)

http://www.agenturnsm.de/
(Sophie Berner zu finden unter der Rubrik "Schauspieler")

Fotos von mir in der Seitenleiste als Diashow ===>

3 Kommentare:

Anima hat gesagt…

ach, einfach schön beschrieben...

marlene20 hat gesagt…

war auch sehr schön dabei zu sein!!ich singe immer noch: "Willkommen, Bienvenue, Welcome..."

Anonym hat gesagt…

es ist doch wunderbar zu sehen, dass man mit kleiner besetzung und gutem handwerk tolles cabaret auf die beine stellen kann.